Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2376
Schmalkalden (Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen)

Das Stengelsche Haus

Das Anwesen im Schmiedhof 19, das nach einem späteren Eigentümer Stengelsches Haus genannt wird, wurde 1580 von Heinrich Zöllner, dem hessischen Rentmeister, erbaut. Früher befand sich hier ein aufgegebenes Augustinerkloster, das schon Ende des 15. Jh. stark baufällig war. Infolge der Reformation wurde das Kloster aufgelöst; Luther, selbst einmal Augustinermönch, wandte sich in seinen Schmalkaldischen Artikeln vehement gegen das Klosterwesen. 1548 wurde die Immobilie vom letzten Propst des Klosters an Wilhelm von Henneberg verkauft. Die Reste des Klosters kamen 1567/68 in städtischen Besitz. Die Klosterbauten verwendete man als Steinbruch für die Wiederherstellung des südlichen Kirchturms der Stadtkirche und der Stadtmauer. Noch willkommener waren die Einkünfte des Klosters, die man für die Stadtschule einsetzte. 1573 wurde das Klosterhaus abgerissen. Die letzten Reste des in der Zeit um 1320 entstandenen Klosters wurden in den renaissancezeitlichen Neubau einbezogen. An der Fassade des Haupthauses hängt das Wappen der Landgrafen von Hessen-Kassel, weil es sich um den Dienstsitz des hessischen Beamten handelte. Die unauffällig mit wenigen Zierelementen versehene Fassade ist spätbarock und trägt auf dem oberen, spät barocken Portalabschluß unter dem renaissancezeitlichen Oberlicht die Jahreszahl 1776 neben den Initialen HM und einer Lilie in einer Rocaillekartusche. An den Geschoßvorsprüngen erkennt man, daß nur das Erdgeschoß aus Stein besteht, die Obergeschosse hingegen aus verputztem Fachwerk bestehen. Nach hinten reichen zwei Flügelbauten in den Garten hinein. Bevor das Haus der Stadt vermacht wurde, gehörte es Wilhelm Stengel (-11.9.1939), Studienrat und Oberlehrer an der Oberrealschule.

Das landgräfliche Wappen am Haupthaus ist auf das Jahr 1621 datiert; die Darstellung entspricht der 1479-1642/1659 vom Haus Hessen-Kassel genutzten Form, nämlich geviert mit Herzschild: Feld 1: in Gold ein roter Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt, Grafschaft Katzenelnbogen, Feld 2: schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern, Grafschaft Ziegenhain, Feld 3: schwarz-golden geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne, Grafschaft Nidda, Feld 4: in Rot zwei goldene, blau bewehrte schreitende hersehende Löwen übereinander, Grafschaft Diez, Herzschild: in Blau ein silbern-rot mehrfach geteilter aufrechter Löwe, golden gekrönt und golden bewehrt, Landgrafschaft Hessen (Stammwappen). Die Sterne sind hier fälschlicherweise golden; sie müßten alle silbern sein.

Dazu werden folgende drei Helme geführt: Helm 1 (Mitte): auf dem gekrönten Helm mit eigentlich rot-silbernen, hier fehlenden Decken zwei Büffelhörner, außen besteckt mit hier je 6 Lindenzweigen (auch als Kleestengel bezeichnet), Landgrafschaft Hessen, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit hier rot-silbernen, korrekt eigentlich aber rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer wie Feld 1 tingierten Scheibe, Grafschaft Katzenelnbogen, Helm 3 (links): auf dem Helm mit hier schwarz-silbernen, korrekt eigentlich schwarz-goldenen Decken ein wachsender, hier silbern angestrichener Ziegenrumpf zwischen einem eigentlich wie der Schild tingierten und mit je einem silbernen sechsstrahligen Stern belegten Flug (auch als ein geflügelter schwarz-golden geteilter Ziegenbock beschrieben, hier nachlässig abweichend angestrichen), Grafschaft Ziegenhain.

Am Nebengebäude links ist rechts der breiten Rundbogendurchfahrt zum Innenhof das Wappen der Familie Zöllner von 1581 angebracht (Literaturnachweise gesucht, Hinweise willkommen). Die Initialen personalisieren das Wappen und stehen für den Rentmeister Heinrich Zöllner gen. Tecklenburger, der in Gütersloh geboren wurde und einen gleichnamigen Vater hatte. Eigentlich stammte die Familie Zöllner aus dem Stift Verden. Heinrichs Vater war Landrentmeister im Stift Verden und danach Vogt zu Georgenthal. Heinrich Zöllner, der ab 1569 in hessischen Diensten stand, zunächst 1569-1573 als Kanzleischreiber und 1575-1579 als Kammersekretär in Kassel, wo er 1577 das Bürgerrecht erhielt, heiratete zweimal, in erster Ehe am 18.7.1575 in Kassel Katharina Kannenberg und in zweiter Ehe am 24.10.1582 in Schmalkalden Margarethe Wolf zur Todenwarth. Er wurde am 22.7.1579 Landrentmeister in Schmalkalden und verstarb hier am 28.12.1591. Er hatte eine Tochter, aus zweiter Ehe, das war Anastasia (Stadula) Zöllner, die Jakob Schröter heiratete.

Literatur, Links und Quellen:
Hinweistafeln am Objekt
Stadtrundgang:
http://www.peterheckert.org/index.php?option=com_content&view=article&id=103&Itemid=109
Paul Weber (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband, Marburg, 1913, S. 256
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bkrcbd5text/0276
Wolfgang Trogus: Genealogie der Vorfahren Goethes:
http://www.goethe-genealogie.de/al_goethe_html/html/p000101.htm#P10457
Carl Knetsch: Goethes Ahnen, Salzwasser-Verlag, 1908, Nachdruck bei Books on Demand, 21.01.2016, 148 S., S. 33-34,
https://books.google.de/books?id=0jNtCwAAQBAJ
Liste der Kulturdenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmale_in_Schmalkalden

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