Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2384
Zella / Rhön (Wartburgkreis)

Die Propstei Zella

Das historische Ensemble der Propstei Zella befindet sich am Nordostrand der Ortschaft Zella in der thüringischen Rhön in exponierter Lage zwischen dem Schmerbach im Norden und der Goethestraße bzw. Sportplatzstraße im Süden. Nach Südosten fällt das Gelände ca. 50 m tief ab zum Talgrund der Felda. Im Westen der Baugruppe liegt die von Südosten nach Nordwesten ausgerichtete Propsteikirche. Im Osten davon liegt das Propsteigebäude, ein langgezogener, zweigeschossiger Dreiflügelbau mit dem von zwei Ecktürmen mit kräftigem Gesims und geschweiften Hauben flankierten Hauptflügel im Süden und zwei daran ansetzenden kurzen Seitenflügeln nach Norden, die einen kleinen Hof mit Brunnen einrahmen. Auf der fünfzehnachsigen Südseite zum ehemaligen Propsteigarten hin befindet sich in der Mitte der Außenfassade ein einachsiger Portalrisalit mit Volutengiebel. Der Zugang zum Hof erfolgt von Westen durch das große Durchfahrtstor im westlichen Seitenflügel, mit einem markanten Löwenkopf auf dem Schlußstein. Im Zentrum der dreizehnachsigen Hoffassade des Hauptflügels liegt das Prunkportal. Im Norden der Anlage befinden sich einige ehemalige Wirtschaftsgebäude.

Dieses Ensemble erlebte in seiner Geschichte mehrere ganz unterschiedliche Abschnitte. Begonnen hat die Anlage als Benediktinerinnenkloster, nach der Auflösung diente sie als Propstei, die von einem Kapitular des Stifts Fulda geleitet wurde, und nach der Auflösung der geistlichen Fürstentümer als Staatsdomäne. Das Kloster zu Ehren von Maria und von Johannes dem Täufer wurde durch den Grafen Erpho von Nidhartishusen (= Neidhartshausen) auf Betreiben der Bischöfe in Bamberg und in Würzburg im Jahre 1136 gegründet, 1145 wurde die erste Kirche geweiht; und bereits 1186 wurde das Kloster zur Abtei erhoben. Besitz hatte das Kloster u. a. in Zella, Föhlritz, Steinberg, Mebritz, Glattbach, Lindenau, Urnshausen, Wiesenthal etc. Die Jurisdiktions- und Visitationsrechte über das Kloster Zella lagen beim Würzburger Fürstbischof. Zella, das bisher Dermbach unterstand, wurde eigenständige Pfarrei. Im Jahre 1284 wurde Zella zur Propstei gemacht, als Fulda selbst von der Abtei zur Fürstabtei aufstieg, der insgesamt 15 Klöster als Propsteien gehörten, die jeweils von einem Kapitular verwaltet wurden.

Ursprünglich stellte Fulda nur einen Benediktinerpater als Seelsorger und Priester ab, als Klostergeistlichen, der die Gottesdienste abhielt und die Schwestern religiös betreute und ihnen die Beichte abnahm. Mit dem Aufstieg zur Fürstabtei und des Abtes zum Landesherrn teilte man im Fuldaer Kapitel die Verwaltung des Landes unter die Kapitulare auf, von denen jeder eine Propstei quasi als Lehen des geistlichen Landesherrn erhielt und in eigener Regie verwaltete. Vor allem mußte der Propst nun auch den zugehörigen Wirtschaftsbetrieb führen und die niedere Gerichtsbarkeit ausüben, und darüber hinaus mußte er noch seinen Kapitelpflichten in Fulda nachkommen. Vom ersten Kloster hat sich keine Bausubstanz außer ein paar Grundmauern an der Ostfassade des heutigen Schlosses erhalten, so daß sein Aussehen nicht rekonstruiert werden kann. 1525 endete im Bauernkrieg jäh die erste Phase der Geschichte von Zella: Die Bewohner flohen, die Nonnen suchten Asyl in Thulba, der Propst zog wieder nach Fulda. Ein Wiederaufbau der zerstörten Gebäude rettete das Kloster nicht vor dem Hintergrund der Reformationszeit: 1550 wurde die Abtei durch die Grafen von Henneberg aufgehoben.

Fortan war Zella nur noch eine Propstei, deren wirtschaftlich einträgliche Güter (Zella, Föhlritz, Steinberg) von einem vom Stift Fulda eingesetzten Propst verwaltet wurden. Das heißt, es war eine Außenstelle von Fulda ohne eigenes klösterliches Leben. Als Propstei bestand Zella bis zur Säkularisation fort. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und den Pestjahren versuchten die Fürstäbte von Fulda, von Zella, das mittlerweile eine katholische Enklave geworden war (weil die Propstei und das Dorf nie verpfändet wurden, gehörten sie immer zu Fulda und blieben katholisch), aus die angrenzenden Orte der Thüringischen Rhön wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen und die Gegenreformation voranzutreiben. Doch hier gab es weniger Erfolge als im benachbarten Amt Geisa. 1669 brannten die mittlerweile wiederhergestellten Gebäude, und dabei wurden auch die Kirche und das Dorf zerstört. Placidus von Droste ließ als Propst von Zella 1671 das Propsteigebäude wiederherstellen. Doch Anfang des 18. Jh. war alles ziemlich baufällig.

Unter Propst Adolph von Dalberg wurden sowohl die Propstei als auch die Kirche völlig neu errichtet, wofür man den Fuldaer Hofarchitekten Andrea(s) Gallasini verpflichtete. Vor Ort war der Maurermeister Matthias Böhm tätig. Das neue, schloßartige Propsteigebäude entstand in den Jahren 1718-1726; die Kirche Mariä Himmelfahrt, ein typisches Beispiel des sogenannten Fuldaer Barocks und ein Meisterwerk der Barockarchitektur, wurde von 1727 bis 1731 fertiggestellt. Die Daten ergeben sich aus den Bauabrechnungen mit Matthias Böhm, der 1726 eine Generalabrechnung über 1723-1726 an der Propstei erledigte Arbeiten machte. Das Portal an der Propstei ist auf 1718 datiert; Gallasini hat damals noch nicht für Fulda gearbeitet. Aber seit seinerr Einstellung 1720 ist seine Beteiligung am Bau der Propstei gegeben. Somit ergibt sich die Bauspanne von 1718-1726; der in den Quellen bisher genannte Zeitraum 1715-1718 ist zu früh bemessen. Für die Ausmalung von Treppenhaus und Festsaal im Propsteigebäude verpflichtete man den Fuldaer Hofmaler Emanuel Wohlhaupter. Obwohl es sich nur um eine kleine Propstei handelte und die Bauformen insgesamt eher schlicht sind, wurde hier durch die beherrschende landschaftliche Lage mit sich daraus ergebender Fernwirkung und die Instrumente der barocken Architekturinszenierung ein großartiges Gebäudeensemble geschaffen, das den Fuldaer Herrschafts- und Machtanspruch in der ländlichen Provinz gelungen zur Schau stellt.

Das untere der beiden Wappen über dem rechteckigen, reich profilierten Hauptportal in der Mitte des Hauptflügels zum Hof hin ist das des Propstes Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737). Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg. Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 2 (links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg. Die Abkürzung auf dem Schriftband unter dem Schild lautet A.C.V.W.F.V.D.P.Z.Z.1718 = A(dolphus) C(ämmerer) v(on) W(orms) F(reiherr) v(on) D(alberg) P(ropst) z(u) Z(ella) 1718.

Darüber befindet sich das wesentlich größere und aufwendigere Wappen seines Dienstherrn, des Fuldaer Fürstabtes Konstantin von Buttlar (regierte 1714-1726), welches mit seinem Prunkstück, dem aus einem Fürstenhut herabfallenden und zu beiden Seiten hochgerafften Wappenmantel, weit über die obere Begrenzung des verkröpften Segmentbogengiebels hinausragt. Die ovale Schildkartusche ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes, durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Feld 2 und 3: in Rot eine silberne Butte mit goldenen Reifen und links zwei goldenen Tragbändern, Stammwappen der von Buttlar.

Das Wappen wird mit allen drei zugehörigen Helmen abgebildet, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen in einer Laubkrone ein stehendes schwarzes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, hier ohne Feinstruktur, eigentlich jedes Fähnchen gespalten, vorne in Rot ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein Jagdhorn mit Band, dessen Farben als golden oder rot beschrieben werden und dessen Mundloch mit drei rot-silbern-rot tingierten Straußenfedern besteckt ist, Stammkleinod der von Buttlar. Seitlich neben dem Schild stecken schräglinks das gestürzte Schwert und schrägrechts der Krummstab hinter den Helmdecken.

Ein zweites Mal taucht das Wappen des Propstes Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737) auf dem trapezförmigen Mittelstück eines horizontalen Türsturzes an einem links vom Hauptportal gelegenen Nebeneingang auf. Auch wenn die Form dies suggeriert, handelt es sich nicht um einen echten Schlußstein, sondern der ganze Türsturz besteht aus einem Stück. Im Gegensatz zu dem vorher vorgestellten Dalberg-Wappen wird hier nur eine ovale, von zwei Palmzweigen eingerahmte Kartusche mit den oben beschriebenen Inhalten verwendet, dazu eine Krone auf dem oberen Kartuschenrand; ein Oberwappen mit Kleinoden fehlt hingegen, der geringeren Bedeutung dieser Pforte entsprechend.

In beiden Fällen begegnet uns Adolph von Dalberg in seiner Funktion als Propst von Zella, eine Funktion, die er 1715-1726 innehatte. Als Propst war er nicht berechtigt, andere Elemente als die seines Familienwappens zu führen. Danach war er 1726-1737 Fuldaer Fürstabt, und sein erheblich aufwendigeres Wappen in dieser späteren Funktion sehen wir über dem Hauptportal der Kirche, innen am Chorbogenscheitel und außen am Turm. Weitere Wappen des Adolph von Dalberg befinden sich am Hauptaltar der Kirche unterhalb des Baldachins, an den Seitenaltären und am Chorgestühl.

Zur Übersicht: Auflistung einiger Pröpste von Zella seit Auflösung des Klosters, wo möglich, mit Wappenfundstellen (Ergänzungen willkommen):

ehem. Propsteikirche, jetzt Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt

 

Die zugehörige Kirche, eine einschiffige Saalkirche mit drei Kreuzgewölben, hat ihre geschwungene Schaufassade nach Südosten gerichtet und überblickt eindrucksvoll und beherrschend den Talgrund. Der Turm ist vorgerückt und besitzt oben auf achteckigem Querschnitt eine geschweifte, geschieferte Haube mit Laterne, die eine zweite Schweifkuppel trägt. Der Mittelteil der Fassade springt mit abgeschrägten Ecken aus der Fassade vor und dynamisiert den Eindruck von Schlankheit und Höhe. Die Einturmfassade besteht aus rotem Sandstein mit einigen belebenden Akzenten aus hellgrauem Sandstein. Wesentliche Schmuckelemente der Fassade sind das Prunkwappen, die Himmelfahrtsgruppe und die vier überlebensgroßen Heiligenfiguren in den schlanken Bogennischen, welche oben links St. Benedikt, oben rechts St. Sturmius, unten links St. Bonifatius und unten rechts St. Valentinus darstellen.

Die Kirche wurde 1727-1732 erbaut. Der Architekt war Andrea(s) Gallasini, der ausführende Maurermeister Matthias Böhm, der 1727 die ersten 40 fl. als Abschlagzahlung für die Kirche erhielt. Der Bildhauer Kilian Schüssler fertigte die Fassadenskulpturen an und rechnete sie 1731 ab, und der Bildhauer Christian Bauß aus Kaltennordheim machte das landesherrliche Wappen an der Kirchenfassade. 1732 war der Innenraum im Rohbau vollendet; diese Jahreszahl steht am Chorbogen. Danach erfolgte die Innenausstattung. Die prunkvoll ausgestattete Kirche wurde am 15.8.1735 eingeweiht.

Die Inschrift auf der keilförmigen, im Stile eines Schlußsteines gestalteten Mittelpartie des Hauptportalsturzes lautet: "LAVDETVR IESVS CHRISTVS IN AETERNVM IN PSALTERIO / ECCE NOVA FECIT OMNIA / REVERENDISSIMUS ET CELSISSIMUS / PRINCEPS AC DOMINUS D(OMINUS) / ADOLPHUS / INCLYTAE ECCLESIAE FULDENSIS / ABBAS S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) PRINCEPS / DIVAE AUGUSTAE ARCHICANCELLARIUS / PER GERMANIAM ET GALLIAM PRIMAS / EX PERILLUSTRI FAMILIA DE DALBERG / DOMINUS NOSTER CLEMENTISSIMUS / QUANDO PRAEPOSITURA ZELLENSI / FUNDITUS ERECTA HANC QUO DOMUM / DOMINI FIRMITER AEDIFICARI CURAVIT / IN AETERNUM MONUMENTUM / SERVITE IBI DOMINO IN LAETITIA ET / CANTATE EI IN EXVLTATIONE" - gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit mit Psalterklängen, siehe, alles neugemacht hat der hochwürdigste und durchlauchtigste Fürst und Herr, Herr Adolph, Abt der glorreichen Fuldaer Kirche, Fürst des Heiligen Römischen Reiches, der erhabenen Kaiserin Erzkanzler, Primas für Germanien und Gallien, aus der äußerst angesehenen Familie der von Dalberg, unser gnädigster Herr, als die Propstei in Zella von Grund auf neu errichtet wurde, wo er mit festem Willen dafür sorgte, daß ein Haus des Herrn als Monument für alle Zeiten gebaut wurde, dienet dort dem Herrn in Freude und singet ihm mit Frohlocken. Diese Inschrift enthält zwei Chronogramme, die dasselbe Baujahr angeben: Die erste Zeile "LAVDETVR IESVS CHRISTVS IN AETERNVM IN PSALTERIO" ergibt L + V + D + V + I + V + C + I + V + I + V + M + I + L + I = 50 + 5 + 500 + 5 + 1 + 5 + 100 + 1+ 5 + 1 + 5 + 1000 + 1 + 50 + 1 = 1730. Die beiden letzten Zeilen "SERVITE IBI DOMINO IN LAETITIA ET CANTATE EI IN EXVLTATIONE" ergeben V + I + I + I + D + M + I + I + L + I + I + C + I + I + X + V + L + I = 5 + 1 + 1 + 1 + 500 + 1000 + 1 + 1 + 50 + 1 + 1 + 100 + 1 + 1 + 10 + 5 + 50 + 1 = 1730.

Der bereits als Propst mit seinem einfacheren Familienwappen vertretene Bauherr Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737) führt nun als Fürstabt von Fulda sein Wappen geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Die Lebensgeschichte dieses Fürstabtes wird ausführlich im Kapitel zu St. Georg in Eiterfeld besprochen.

Das Oberwappen besteht aus insgesamt fünf gekrönten Helmen, von denen die drei mittleren Helme unter der Krone jeweils ein rotes, golden bequastetes Kissen tragen, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein aufrechtes schwarzes Kreuz, Hochstift Fulda, Helm 2 (innen rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine silberne, golden verzierte Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (innen links): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein Fürstenhut, mit goldenen Bügeln, rot gefüttert und hermelingestulpt, Helm 4 (außen rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 5 (außen links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg. Hinter dem Schild, außen neben den äußersten Helmen, ragen rechts der Krummstab und links das gestürzte Schwert hervor. Die ganze Komposition wird ummantelt von einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, beiderseits mit Bändern hochgerafften, roten, hermelingefütterten Wappenmantel.

Und noch einmal taucht das Wappen des gleichen Fürstabtes an der Hauptfassade der Kirche auf, nämlich hoch oben am Turm oberhalb der Turmuhr. Im Gegensatz zum steinernen Portalwappen ist dieses aus Blech gefertigt und bildet eine Einheit mit dem Ziffernblatt. Aufgrund des vorspringenden Giebels ist das Blech schräg nach vorne abgeknickt, so daß die Wappendarstellung zum Betrachter geneigt ist. Die Motive sind aus Blech ausgeschnitten und auf den Träger genietet worden. Die ovale Kartusche enthält die beschriebenen Inhalte; ein Oberwappen fehlt. Zu sehen sind die Amtszeichen, der Fürstenhut, der Krummstab und das gestürzte Schwert, ebenso wie der Herzschild aus vergoldetem Blech auf den Träger genietet. Seitlich geben zwei mit je einem Schräggitter verzierte Schmuckflächen dem Wappen Breite.

Ein Wirtschaftsgebäude des ursprünglichen Ensembles ging 1758 durch Brand verloren, wurde aber unter Propst Wolfgang von Blittersdorf wiedererrichtet. Nach der Aufhebung der geistlichen Fürstentümer wurde Zella großherzogliches Kammergut und gehörte dem Haus Oranien. Alexander Zobel von Giebelstadt führte die Propstei 1795-1803 als letzter Propst in Fuldaer Diensten und ging nach der Auflösung nach Fulda in den Ruhestand; dort verstarb er 1830. Im ehemaligen Propsteigebäude wohnten fortan der Domänenpächter und der Pfarrer. 1806 kam Zella an Frankreich unter Napoléon, wenig später, 1810, an Mainz und den Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg, 1813 unter österreichische Verwaltung, dann 1815 an den preußischen Staat und noch im selben Jahr an den Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, der neben dem Amt Dermbach auch das Amt Geisa bekam. Bis 1918 blieb das Großherzogshaus Landesherr, dann kamen die beiden Ämter an den Staat Thüringen. 1911 wurden Teile des landwirtschaftlichen Gutes an Privatleute aus dem Ort Zella verkauft. Im Jahre 1914 wurden die Gebäude, Propstei und Kirche, an die Gemeinde Zella verkauft, die sie seitdem als Eigentümer nutzt. Die Anlage wurde mehrfach restauriert, 1969-1970 die Außenfassaden, 1998 der Hofbereich, 2001-2005 die Keller, Teile des Erdgeschosses und das Dach. 2016 wurde der Festsaal fertiggestellt. Dem Anschein nach kann man aber gleich wieder mit den Außenfassaden beginnen; das und der Marstall sowie die 1569 von Propst Hermann von Windhausen errichtete Umfassungsmauer sind die nächsten Restaurierungsziele. Vor Ort kümmert sich der Förderverein "Propstei Zella - Barock in der Rhön" um die Erhaltung der Baugruppe, um Konzeptentwicklung und Sammeln von Spenden und Fördergeldern. Für seine Arbeit bekam der Förderverein 2015 von Landrat Reinhard Krebs den Denkmalpreis des Wartburgkreises verliehen, weil er sich beispielhaft nicht nur um die bloße Erhaltung bemüht, sondern auch um die Entwicklung der historischen Gebäude als multifunktionales kommunales Ensemble. Von 1999 bis 2016 sind ca. 2,75 Millionen Euro in die Sanierung der historischen Gebäude geflossen, davon ca. 2 Millionen Landesmittel, 690000 Euro Gemeindemittel und 50000 Euro Spendengelder. Seit 2002 ist in den bisher sanierten Räumen des Kellers und des Erdgeschosses eine Dauerausstellung über das Biosphärenreservat Rhön eingerichtet, und seit 2009 hat hier die Thüringische Verwaltungs- und Informationsstelle des Biosphärenreservates Rhön ihren Sitz. Außerdem werden die fertiggestellten Räume für Veranstaltungen und Ausstellungen über die Flora und Fauna der Rhöner Kulturlandschaft und das Leben der Rhön-Bevölkerung und außerdem als Sitz der Tourismus-Information genutzt.

Im Inneren der Kirche sind folgende Wappen zu sehen:

1.) Chorscheitelbogen: Vollwappen von Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737), Fürstabt von Fulda, datiert auf 1732, mit 5 Helmen und allen Kleinoden, umrahmt von einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, roten, hermelingefütterten und zu beiden Seiten hochgerafften Wappenmantel, in allen Teilen korrekt angestrichen.

2.) Hauptaltar: Vollwappen von Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737), Fürstabt von Fulda, Darstellung mit 5 Helmen und allen Kleinoden, mit Krummstab und gestürztem Schwert, alles korrekt angestrichen.

3.) linker Seitenaltar: Wappen von Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737), Fürstabt von Fulda, Schild mit Fürstenhut, Krummstab und Schwert, ohne Helme, Farben von Feld 1 und 4 nicht korrekt (Haupt blau statt golden, Lilien golden statt silbern).

4.) rechter Seitenaltar: Wappen von Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737), Fürstabt von Fulda, Schild mit Fürstenhut, Krummstab und Schwert, ohne Helme, Farben von Feld 1 und 4 nicht korrekt, gleiche Fehler wie vorgenannt. Es ist schade, daß diese Fehler bei der jüngsten Innenrenovierung nicht korrigiert worden sind, vor allem, weil andere Wappen des gleichen Fürstbischofs in der gleichen Kirche korrekt sind.

5.) am Schalldeckel der Kanzel an der rechten Seitenwand des Langschiffes das Vollwappen von Wilhelm von Harstall, welcher 1729-1739 Propst von Zella war. Das Wappen zeigt in Rot einen silbernen Adlerflug, zwischen beiden Flügeln ein mit der Spitze nach oben gerichtetes silbernes Schwert mit goldenem Griff und ebensolcher Parierstange, hier das Schwert gänzlich golden, also auch die Klinge. Das Kleinod auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ist zwischen einem rot-silbern übereck geteilten Flug eine goldene Taube. In der Literatur wird ein goldener Pilgerstab oder ein goldenes Zepter angegeben, welches oben in einem grünen Kranz endet, der die obersten Federn beider Seiten umschließt. Die Helmzier mit der Taube wird allerdings durch eine Darstellung am stiftskapitularischen Amtshaus in Großenlüder verifiziert.

6.) an der Brüstung der Orgelempore befindet sich das Vollwappen für Wolfgang von Blittersdorf, der 1761-1777 Propst von Zella war. Das Wappen ist von Silber und Gold durch einen schwarzen schrägrechten Wechselzinnenbalken schräggeteilt. Auf dem gekrönten Helm mit rechts schwarz-silbernen und links schwarz-goldenen Decken ein wachsender Brackenrumpf, von Silber und Gold durch einen schwarzen schrägrechten Wechselzinnenbalken schräggeteilt. Die wie ein Rocailleornament geformten Decken sind hier als Ornament interpretiert worden und gänzlich vergoldet, ansonsten sind Schild und Kleinod korrekt angestrichen.

 

7.) über dem rechten Seiteneingang (vom Eintretenden aus gesehen) ist das Vollwappen der Zobel von Giebelstadt zu sehen, in Silber ein roter, schwarz gezäumter Pferdekopf, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken wachsend ein roter, schwarz gezäumter Pferdekopf. Die wie ein Rocailleornament geformten Decken sind hier als Ornament interpretiert worden und gänzlich vergoldet, ansonsten sind Schild und Kleinod korrekt angestrichen. Stilistisch ist dieses Wappen Aemilian Zobel von Giebelstadt zuzuordnen, welcher 1755-1761 Propst von Zella war. Es gab noch einen anderen, späteren Propst aus der Familie, 1795-1803 Alexander Zobel von Giebelstadt (lebte -1830).

 

8.) über dem linken Seiteneingang (vom Eintretenden aus gesehen) das Wappen des Fuldaer Fürstabtes Amand von Buseck, als Rocaille-Kartusche mit Fürstenhut obendrüber. Dieses Wappen ist leider komplett falsch angestrichen, das Fuldaer Kreuz muß schwarz auf Silber sein, nicht schwarz auf Gold, und die von Buseck führen einen schwarzen Widderkopf auf Gold, nicht einen roten auf Silber. Es ist schade, daß diese gravierenden Fehler bei der jüngsten Innenrenovierung nicht korrigiert worden sind, vor allem, weil andere Wappen in der Region korrekt sind und als Vorbild hätten dienen können.

9.) Kirchenbänke: Zum Mittelgang hin sind die Köpfe der Kirchenbankwangen an vielen Stellen (früher wahrscheinlich alle) mit dem geschnitzten Wappen von Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737), Fürstabt von Fulda, versehen. Die Schnitzereien zeigen die vereinfachte Form mit Fürstenhut, Krummstab und gestürztem Schwert.

 

10.) spätmittelalterliche Grabplatte an der linken Seitenwand des Langschiffes mit dem gewendeten Vollwappen der von der Tann, in Rot eine nach oben gekrümmte, mit Kopf und Schwanz abwärts gebogene, silberne Forelle, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein rote Säule, belegt mit einer nach oben gekrümmten, mit Kopf und Schwanz abwärts gebogenen, silbernen Forelle, die Säule oben besteckt mit drei Straußenfedern.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer und Klöster
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Adolph von Dalberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Dalberg
Stefan Alles (bearbeitet von Simon-A. Göllner): Adolph von Dalberg, in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/11887862X
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 146-151, 156-158, 163 u. 193 f.
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
D. Schwennicke: Europäische Stammtafeln, Vol. XI, Tafeln 40-58, Marburg, 1986
W. Möller: Stammtafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, Band I, Darmstadt, 1922, Degener Verlag, Neustadt Aisch
W. Möller: Stammtafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, Band II, Darmstadt, 1933, Degener Verlag, Neustadt Aisch
F. Freytag v. Loringhoven: Europäische Stammtafeln, Band IV, Marburg, 1957 (1968)
Richard Schmelz: Chronik der Pfarrei Zella:
www.katholische-kirche-zella.de/zella/pdf/Zella-21042016165439.pdf
Rhönlexikon:
http://www.rhoen.info/lexikon/staetten/Ehemalige_Propstei_in_Zella_9326021.html
Propstei Zella:
https://de.wikipedia.org/wiki/Propstei_Zella_(Rhön)
Isolde Lehmann: Die Barockkirche von Zella, in: Eisenacher Land, Heft 3/4, Eisenach 1997 S. 24-27.
Zella:
http://www.jahrfeier-zella.de/html/historie.html
Adelbert Schröter: Land an der Strasse, die Geschichte der Katholischen Pfarreien in der thüringischen Rhön, St. Benno-Verlag, Leipzig, 1989, ISBN 3-7462-0430-5
Georg Voss, Paul Lehfeldt: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XXXVII, Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach: Verwaltungsbezirk Dermbach: Amtsgerichtsbezirke Vacha, Geisa, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim und Ostheim v. d. Rhön, Verlag von Gustav Fischer, Jena, 1911, S. 226-236,
http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/1/ - http://goobipr2.uni-weimar.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:gbv:wim2-g-2484283 - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/content/?action=pdf&metsFile=PPN63256699X.xml&targetFileName=PPN63256699X.pdf
Johannes Mötsch: Das Benediktinerinnenkloster Zella unter Fischberg, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 53, 2001, S. 233-257.
Förderverein der Propstei Zella:
http://www.propstei-zella.de/
Geschichte der Propstei Zella:
http://www.propstei-zella.de/historie.htm
Infozentrum Biosphärenreservat:
http://biosphaerenreservat-rhoen.de/infozentrum-probstei-zella
Propstei Zella:
http://www.thueringen.info/dermbach-rhoen-propstei-und-pr.html
Adolph Freiherr von Dalberg
http://www.adolphiana.de/index.php?id=510
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Ulrich Piesche, ein herzliches Dankeschön
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 304-309

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