Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2385
Dermbach / Rhön (Wartburgkreis)

Das Dermbacher Schloß

1186 wird Dermbach urkundlich erstmalig genannt, als der Würzburger Bischof die anläßlich der Gründung des Klosters Zella erfolgte Befreiung des Ortes Neidhartshausen von der Kirche zu Dermbach bestätigte. Ludwig von Frankenstein verkaufte 1317 alle zum Amt Fischberg gehörigen Güter, Gefälle und dergl. um 450 Pfund Heller (1 Pfund = 240 Heller oder 2,5 fl.) an Abt Heinrich von Fulda; 1326 kam der Ort Dermbach mit allen zugehörigen Gütern in den Besitz des Stifts Fulda. Dieses errichtete seinen Amtssitz in der 1339 auf dem Höhn bei Klings errichteten Burg Fischberg (Schloß Fischberg), welche aber 1512 durch Ernst von Brandenstein und kurz darauf noch einmal im Bauernkrieg zerstört wurde. Schon kurz nach Erwerb ging Fulda des Amtes zeitweise durch Verpfändung verlustig: 1398 verpfändete Abt Johann I. von Merlau das Amt Fischberg mit Dermbach an den Mainzer Kurfürsten. Darüber entbrannte zwischen den beiden geistlichen Landesherren ein Streit, der zur Belagerung Fuldas führte. Ludwig Landgraf von Hessen half Fulda und befreite es von der Mainzer Belagerung (eigentlich ging es sogar in diesem Krieg vorrangig um die Balance der Interessen zwischen Mainz und Hessen; Fulda war eher nebensächlich). Am 8.12.1427 wurde ein Friedensschluß (Friede von Frankfurt) vereinbart. Dabei kam das verpfändete Amt Fischberg (nebst vielen anderen) an den Landgrafen von Hessen. Das Pfand wurde 1455 aufgeteilt, die eine Hälfte des Amtes ging an die Grafen von Henneberg, die andere Hälfte an Fritz von der Tann. In den Folgejahren erwarben die Grafen von Henneberg schrittweise das restliche Amt Fischberg-Dermbach. 1511 verpfändete Fulda den Hennebergern schließlich das ganze Amt gegen Zahlung einer Summe von 4000 Gulden. Als die Grafen von Henneberg 1583 erloschen, erbten die Herzöge von Sachsen das Amt. Das Stift Fulda sah sich betrogen und forderte 1584 die Rückgabe des Amtes Fischberg-Dermbach, was Sachsen ablehnte, weil es sich um ein nicht ausgelöstes Pfand handelte; schließlich kam der Streit vor das Reichskammergericht. In der Zeit danach ging es mit dem Amt steil bergab: Dreißigjähriger Krieg, Pestepidemien, Plünderungen, Hungersnöte, Mordbrennereien marodierender Truppen, Hexenprozesse etc. hatten Dermbach und das Tullifeld ins Elend geführt.

Zu Beginn des 18. Jh. begannen die Fuldaer Fürstäbte mit architektonischem Enthusiasmus das Ruder herumzureißen: Aus Dermbach, dem bisherigen Sitz eines Centgerichts, wurde der neue Sitz des Amtes Fischbach. Fürstabt Adalbert von Schleifras setzte sich durch und ließ sich am 25.5.1707 auf der Wiese zwischen Dermbach und Unteralba von seinen Untertanen den Huldigungseid leisten. Nach 124 Jahren Streit um den Ort und das Amt ergriff dieser Fürstabt jetzt ostentativ Besitz davon und schuf in den nächsten Jahren architektonische Tatsachen. Doch damit war noch nicht alles ausgestanden: 1741 fand der sogenannte Dermbacher Krieg statt; aufgrund von Streitigkeiten um das Fischereirecht in der Felda kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Soldaten von Fulda einerseits und Sachsen-Weimar andererseits. Erst 1764 fiel ein Urteil des kaiserlichen Reichskammergerichtes, das zur Teilung des Amtes führte: Fischberg-Dermbach, Urnshausen, Wiesenthal und Fischbach rechts der Felda wurden Sachsen-Weimar zugesprochen, die anderen Orte verblieben beim Stift Fulda. 1815 kam Dermbach an Sachsen-Weimar-Eisenach.

Abb.: 2016

Einst hatte man ein bescheidenes, 1670-1672 erbautes Amtshaus, die spätere Oberförsterei in der Marktstraße, dieses wurde nun durch einen zwar schlicht gestalteten, doch von den Dimensionen her schloßartigen Neubau im Norden des Ortes an der Geisaer Straße ersetzt, der 1707 begonnen wurde. Das Schloß ist eine Baugruppe aus drei separaten, zweistöckigen Gebäuden, die im Winkel zueinander stehen und einen zur Geisaer Straße hin offenen Hof umstehen. Das Hauptgebäude besitzt ein Mansarddach; die beiden Seitenflügel jeweils ein Walmdach. Konstantin von Buttlar ließ den Schloßkomplex vollenden, indem er um die Gebäude und den Garten eine großzügig dimensionierte Sandsteinmauer mit starken Strebepfeilern errichten ließ. Der architektonische Kontrapunkt zum Hauptgebäude des Schlosses ist die Klosterkirche direkt gegenüber. Das Dermbacher Schloß, das nur wenig später errichtete Franziskanerkloster gegenüber und die beiden Kirchen des Ortes sind Ausdruck einer kulturellen Blüte, die Dermbach in der ersten Hälfte des 18. Jh. erfuhr. Die neuen Kirchen, die ehemalige Klosterkirche und die evangelische Kirche, wurden nur wenig später als das Schloß erbaut, letztere 1714, erstere 1731-1735. Zusammen mit dem 1730-1735 erbauten Kloster entstand ein noch heute weitgehend intaktes Barockensemble in der thüringischen Rhön, das in seiner Geschlossenheit und Erhaltung einzigartig ist.

Mit der Säkularisation 1802 und der von Napoléon verfügten Auflösung der geistlichen Fürstentümer wechselte das Schloß mehrfach kurz hintereinander den Besitzer, bis es 1815 zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach kam. Das Dermbacher Schloß wurde Sitz der Bezirksdirektion (1850-1918), des Rechnungsamtes und des Justizamtes (bis 1879). 1918 übernahm das Land Thüringen das Amtsschloß. Es folgten Nutzungen als Forstamt, als Polizeistation und als Jugendherberge, 1932 als Heimatmuseum für das Eisenacher Oberland, und 1945-1952 als Flüchtlingsheim. 1952 kam die NVA als neuer Nutzer des Gebäudes: Hier waren erst 1952-1961 die DDR-Grenzpolizei und danach 1961-1990 das Grenzregiment "Florian Geyer" einquartiert. Am 7.6.1994 erhielt die Gemeinde Dermbach von der Thüringer Landesimmobilienverwaltung das Schloß für eine symbolische Mark. Anschließend wurde das Ensemble mit Städtebau-Fördermitteln umfassend renoviert. Im Dezember 1999 konnte das Bürgermeisteramt in das renovierte Hauptgebäude des Schlosses ziehen; weiterhin sind hier die Bibliothek, das Standesamt, die Verwaltung der Wohnungsgesellschaft und ein Rechtanwaltsbüro sowie mehrere Vereinsräume in den nach dem Hauptgebäude sanierten beiden Seitenflügeln untergebracht.

Abb.: 2016

Der wichtigste bauplastische Schmuck der Schloßgruppe ist das mittig angeordnete Portal des Mittelgebäudes. Die als beiderseits nach hinten eingerolltes Schriftband gestaltete, an einigen Stellen bereits stark verwitterte Bauinschrift auf dem Türsturz des Rechteckportales lautet: "ANNO QVO SVB ADALBERTI PRINCIPIS AVSPICIO EX STIRPE SCHLEIFFRASIANA NATI SATRAPIA FISCHBERGENSIS PATRIAE FVLDENSI NATIVO SOLO PROSPERANTE POLO RESTITVTA" - in dem Jahr, als unter den Auspizien des Fürsten Adalbert, aus dem Stamme der Schleifras geboren, das Amt Fischberg wiedererrichtet wurde, aus dem Fuldaer Vaterland ins Leben gerufen allein zum Wohle des Himmels. Diese Inschrift birgt ein Chronogramm mit hervorgehobenen zugehörigen Buchstaben: V + V + D + L + I + I + C + I + I + V + I + C + I + X + I + C + L + I + I + I + I + I + C + I + I + V + L + D + I + I + V + L + L + I + V = 5 + 5 + 500 + 50 + 1 + 1 + 100 + 1 + 1 + 5 + 1 + 100 + 1 + 10 + 1 + 100 + 50 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 100 + 1 + 1 + 5 + 50 + 500 + 1 + 1 + 5 + 50 + 50 + 1 + 5 = 1707.

Abb.: 2016

Über besagter Inschrift befindet sich das groß dimensionierte und aufwendig gestaltete Vollwappen des Fuldaer Fürstabtes Adalbert I. von Schleifras (regierte 1700-1714). Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Feld 2 und 3: gespalten, rechts in Gold eine rote, aufrecht gestellte Axt, Schneide nach hinten, links in Rot ein schwarzer (hier falsch silbern), höhenverstellbarer Kesselhaken mit Zahnschiene, Familienwappen der von Schleifras.

Abb.: 2020

Das Wappen wird mit drei Helmen geführt, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen mit Quasten eine goldene Krone, aus der ein schwarzes, lateinisches Kreuz herausragt, Fürstabtei Fulda, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, hier alles ohne Rücksicht auf Details silbern angestrichen, eigentlich jedes Fähnchen gespalten, vorne in Rot aus grünem Dreiberg wachsend ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (links): auf dem gekröntem Helm mit rot-goldenen (hier falsch schwarz-silbern angestrichenen) Decken ein roter Flug mit goldenen Saxen (ebenfalls komplett falsch silbern mit roten Spitzen angestrichen), Familienkleinod der von Schleifras.

 

Abb.: 2016

Neben den äußeren Kleinoden ragen das gestürzte Schwert (heraldisch links) und das Abts-Pedum (heraldisch rechts) heraus. Insgesamt vier Putten bzw. Puttenköpfe vervollständigen die Komposition: Zwei ganze Putten sind unten in Rückenlage auf den unten abschließenden, grünen Palmwedeln zu sehen und schließen die optische Lücke zu den Helmdecken. Zwei Puttenköpfe mit Flügelansatz schließen die Zwickel zwischen dem oben schmäler werdenden Oval der Schildkartusche und den äußeren Helmen.

 

Abb.: 2020 im Sonnenglanz

Ein zweites Wappen befindet sich an der Schmalseite des linken Seitentraktes, zwischen den beiden Fenstern des ersten Obergeschosses angebracht (Abb. 2020, ebenso alle nachfolgenden Abb.). Die Oberfläche ist von etlichen Löchern wie nach einem Beschuß übersät.

Im Gegensatz zum zuvor beschriebenen Stein ist es nicht farbig gefaßt, ist aber inhaltlich identisch und folgt der oben gegebenen Beschreibung. Wie bei dem anderen Wappenstein sind auch hier zwei Engelsköpfe unterhalb der beiden äußeren Helme zwischen den Windungen der Helmdecken zu sehen.

 

Die Inschrift auf dem Schriftband unterhalb des Wappens lautet: "ADALBERTUS / D(ei) G(ratia) Abbas Fuldensis S(acri) R(omani) I(mperii) Princeps D(ivae) Augustae / Archi Cancellarius P(er) Germaniam et Galliam Primas MDCCIX" - Adalbert von Gottes Gnaden Abt von Fulda und Fürst des Heiligen Römischen Reiches, Erzkanzler der Kaiserin und Primas für Germanien und Gallien 1709. Der Seitenflügel entstand also zwei Jahre nach dem Hauptflügel.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer und Klöster
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 146-151, 156-158, 163 u. 193 f.
Adalbert von Schleifras:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_von_Schleifras
Adalbert von Schleifras: Hessische Biographien:
http://www.lagis-hessen.de/pnd/119473909
Georg Voss, Paul Lehfeldt: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XXXVII, Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach: Verwaltungsbezirk Dermbach: Amtsgerichtsbezirke Vacha, Geisa, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim und Ostheim v. d. Rhön, Verlag von Gustav Fischer, Jena, 1911, S. 140-159, insbesondere
http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/fulltext/PPN63256699X/243/ - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/fulltext/PPN63256699X/244/ - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/243/ - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/244/
Chronik Dermbach:
http://www.dermbach.info/plaintext/gemeinde/chronik/index.php
Dermbach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dermbach
Schloß Dermbach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Dermbach
C. E. Bach: Das Schloß in Dermbach:
http://blog.hehl-rhoen.de/das-schloss-in-dermbach/ - aus: C. E. Bach: Im Tullifeld – Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat (1897-1908), Übersicht: http://blog.hehl-rhoen.de/der-gau-tullifeld/c-e-bach-im-tullifeld/
Bruno Kühn: Die Geschichte des Amtsbezirks Dermbach. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde. Band 1, 1854, ISSN 0943-9846, S. 249-296.
Schloß Dermbach:
http://www.dermbach.info/gemeinde/oeffentliche-einrichtungen/schloss/index.php
Schloß Dermbach im Rhönlexikon:
http://www.rhoen.info/lexikon/staetten/Schloss_Dermbach_8558865.html

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