Bernhard Peter
Wappenscheidung und Wappendifferenzierung

Was ist Wappenscheidung?
Wappenscheidung bedeutet Wappendifferenzierung: Aus einem Grundmotiv entstehen sekundär Variationen durch gestalterische Differenzierung. Wegen der Vielzahl derer, die die ununterbrochene Stammesfolge in direkter Linie des Stammvaters nachweisen können, wurden im Laufe der Zeit diese Wappen oft zur Unterscheidung der einzelnen Linien der Nachfahrenstämme verändert und dann in dieser neuen Form von den Nachkommen unverändert weitergeführt. Ein Wappenbild soll so klar und übersichtlich wie möglich sein. Deshalb hat ein ursprüngliches Wappen große, klare und zusammenhängende Figuren. Dennoch kamen aus den genannten Gründen im Laufe der Zeit Zutaten hinzu, die der Unterscheidung dienen sollen. Die Wappenscheidung ist die Unterscheidung der einzelnen Personen oder Stammeslinien eines Geschlechtes mit ihrem Wappen. Je älter die Familie, desto weiter klaffen manchmal Theorie und Praxis auseinander. Wohl kaum eine Familie hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur über jeweils einen männlichen Nachkommen in direkter Linie in bleibenden Besitzverhältnissen fortentwickelt. Es gab Erweiterungen des Herrschaftsgebietes, es wurden Ländereien und Titel angeheiratet und vererbt, es gab auch mal uneheliche Kinder, oder mehrere Söhne mit eigenen Familien mußten irgendwie in Rüstung voneinander zu unterscheiden sein, oder ein Teil der Familie löste sich ab und wurde woanders seßhaft oder bekam ein anderes Lehen. Gründe genug, die einzelnen Teile einer Familie auch heraldisch voneinander zu unterscheiden.

Ein weiterer Anlaß zur Wappenscheidung war in der formativen Periode der Heraldik eine nichtverwandtschaftliche Abhängigkeit, wie z. B. ein Vasallen-, Dienstmannen-, Ministerialen- oder auch Ganerben-Bezug zu einem Geschlecht, dessen Wappen man unter Veränderung übernahm, dabei eine Wappengruppe aufbauend, also konvergente und divergente Prinzipien mischte. Die formative Periode der Heraldik war dabei sehr kreativ, bevor die Wappen immer unveränderlicher und die Gepflogenheiten der Variation starrer wurden.

Methoden der Wappenscheidung
Variationen entstanden aus einem Urwappen durch:

Im deutschen Kulturraum sind die Hinzufügung von Beizeichen und farbliche Variationen die bevorzugten Methoden zur Differenzierung.

Beispiel 1: Das Geschlecht der Herren von Daun
Die Herren von Daun, Edle Herren von Oberstein führten in Gold ein rotes Schräggitter. Helmzier ein silberngestulpter schwarzer Hut, darauf eine silberne Kugel mit Hahnenfederbusch (nach Gruber und Loutsch). Helmdecken schwarz-silbern. Var. ein silberner Schwan mit schwarzen Flügeln, Decken schwarz-silbern. Durch Beizeichen entstanden folgende Differenzierungen:

Durch Farbvariation entstanden folgende Differenzierungen:

Eine weitere Variationsmöglichkeit ist die Einführung eines differenzierenden Freiviertels, das den variierten Schild vom Originalschild unterscheidet. Beispiel:

Durch Kombination zweier Variationsmöglichkeiten entstehen andere Wappen weiterer Zweige der Familie, hier Farbwechsel und Turnierkragen kombiniert:

Eine weitere Doppel-Kombination zweier Methoden zur Variation: Farbwechsel und Freiviertel:

Nebenbei erwähnt fand das Dauner Wappen in Form des Stammwappens auch noch Eingang in das vermehrte Wappen des Geschlechtes Manderscheid und über Gräfin Therese Daun in das vermehrte Wappen des Geschlechtes Palffy-Daun ab Erdöd, Fürsten zu Theano.

Beispiel 2: Das Geschlecht der Herren von Selbach
Dies ist ein Geschlecht aus dem Siegerland (Selbacher Grund), das sein Stammwappen durch viele Beizeichen variiert hat. Es handelt sich um eine Ganerbenschaft. Die Familie teilte sich in viele Linien:

Je nach Linie wird das Stammwappen durch Beizeichen oder durch abweichende Helmkleinode variiert:

Dieses ist das Stammwappen der von Selbach: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein geschlossener Flug, rechts schwarz, links golden und mit drei schrägrechten, zu einem Schrägbalken aneinandergereihten schwarzen Rauten belegt.
  Christian von Selbach führt den Schild 1336 mit Schindeln bestreut
  Gilbrecht von Selbach führt den Schild 1447 mit Hermelinschwänzchen bestreut, Helmzier Federn.
Die von Burbach sind eines Stammes mit den von Selbach. Um 1400 scheinen sie ausgestorben zu sein. Um 1367 führen mehrere Brüder den Schild ohne differenzierende Zutaten.
  Eberhard von Burbach führt den Schild 1352 mit Schindeln bestreut
  Otto von Burbach führt den Schild 1352 mit einem Horn (?) im linken Obereck.
Geviert, Feld 1 und 4: in Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, Feld 2 und 3: in Silber eine rote Rose. Auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken eine rote Rose oben angestemmt zwischen einem goldenen Flug, der sparrenweise beiderseits mit drei schräggestellten und rechts zu einem Schräglinks- bzw. links zu einem Schrägrechtsbalken aneinandergereihten schwarzen Rauten belegt ist.
In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, zu jeder Seite von drei gestürzten schwarzen Lindenblättchen begleitet. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein offener goldener Flug, der sparrenweise beiderseits mit drei schräggestellten und rechts zu einem Schräglinks- bzw. links zu einem Schrägrechtsbalken aneinandergereihten schwarzen Rauten belegt ist, jeweils zu jeder Seite von drei gestürzten schwarzen Lindenblättchen begleitet.
Selbach-Zeppenfeld: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben von drei, unten von zwei Hermelinschwänzchen begleitet. Christian von Selbach-Zeppenfeld 1362. Es kommen auch nur die Rauten vor, so bei Friedrich 1392.
In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einer roten Rose begleitet. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein offener schwarzer Flug, jeweils mit einem goldenen Schildchen belegt, in dem drei schräggestellte und rechts zu einem Schräglinks- bzw. links zu einem Schrägrechtsbalken aneinandergereihte schwarze Rauten von einer roten Rose rechts im rechten Obereck, links im linken Obereck begleitet werden.
Selbach zu Cruttorff (Crottorf): In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einer roten Rose begleitet. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein geschlossener schwarzer Flug, jeweils mit einem goldenen Schildchen belegt, in dem drei schräggestellte und rechts zu einem Schräglinks- bzw. links zu einem Schrägrechtsbalken aneinandergereihte schwarze Rauten von einer roten Rose rechts im rechten Obereck, links im linken Obereck begleitet werden. Im übrigen ist das kein neues Wappen, sondern das gleiche wie zuvor mit offenem Flug abgebildet.
In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten. Auf dem Helm mit golden-schwarzen Decken ein goldenes nach vorne übergebogenes Horn, hinten mit drei Rosenzweigen zu je drei roten Rosenblüten an grünem Zweig besteckt.
In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei silberne Eselsohren.
Selbach gen. Quatfassel: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein offener goldener Flug, der sparrenweise beiderseits mit drei schräggestellten und rechts zu einem Schräglinks- bzw. links zu einem Schrägrechtsbalken aneinandergereihten schwarzen Rauten belegt ist.
Selbach zu Zeppenfeld: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken sechs silberne fächerförmig gestellte lanzettliche Blätter (?).

Nur die Rauten führt Friedrich 1392. Die Variante mit oben von drei, unten von zwei Hermelinschwänzchen begleiteten Rauten führt Christian 1362.

Selbach gen. Daube (Taube, surdus): In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einem roten Stern begleitet. Auf dem Helm mit golden-schwarzen Decken ein goldenes nach vorne übergebogenes Horn, hinten mit drei schwarzen Rauten besteckt, die wiederum je mit drei goldenen Federn an den drei freien Ecken besteckt sind.
In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einem schwarzen Hirschgeweih begleitet. Helmzier unbekannt. Volprecht von Selbach 1352.
Selbach zu Giltzbach (Gilsbach): In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einem schwarzen Vogel begleitet. Helmzier unbekannt. Deynent und Johann von Selbach, Brüder, führen den Vogel.
Selbach zu Hohenselbach: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einer roten Rose begleitet. Helmzier unbekannt. Gerhard, Friedrich, Langbein und Crafft von Selbach führen 1359 das Beizeichen der Rose. Mulner führt dagegen 1352 nur die Rauten.
Selbach gen. Loe oder Loh (erloschen um 1630): In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einer roten Rose begleitet. Auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldenes nach vorne übergebogenes Horn mit roter Mündung an der Spitze. Belegbeispiel 1473.
Selbach gen. Loe oder Loh (Variante): In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, oben links von einer roten Rose begleitet. Auf dem Helm mit golden-schwarzen Decken ein goldenes nach vorne übergebogenes Horn, hinten mit drei schwarzen Rauten besteckt, die wiederum je mit drei goldenen Federn an den drei freien Ecken besteckt sind.
Selbach gen. Wolf: In Gold drei schrägrechte zu einem Schrägbalken aneinandergereihte schwarze Rauten, im linken Obereck von einem schwarzen, hängenden Flügel begleitet. Helmzier unbekannt. Gerhard von Selbach gen. Wolf 1360-1389. Dietrich 1352-1369 ohne Beizeichen.

Beispiel 3: Das Geschlecht der Herren von Barbançon
Dies ist ein Geschlecht aus Hainaut mit Verbindungen zu Luxemburg. Das Stammwappen wird in anderen Linien zurch einen Bord differenziert:

de Barbançon, in Silber drei (2:1) rote Löwen, golden bewehrt, gezungt und gekrönt. Die Helmzier ist ein Löwe wie im Schild zwischen einem silbernen Flug. (nach Loutsch)
de Barbançon-Villemont, (Variante 1). Differenziert von Barbançon. Innerhalb eines gedornten roten Bordes in Silber drei (2:1) rote Löwen. Die Helmzier ist ein Löwe wie im Schild zwischen einem silbernen Flug. (nach Loutsch)
de Barbançon-Villemont, (Variante 2). Differenziert von Barbançon. Innerhalb eines gedornten blauen Bordes in Silber drei (2:1) rote Löwen, golden bewehrt, gezungt und gekrönt. Die Helmzier ist ein Löwe wie im Schild zwischen einem silbernen Flug. (nach Loutsch)

Literatur, Links und Quellen:
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du pays de Luxembourg, 1974
Rolf Zobel, Wappenbuch für Mittelrhein und Mosel, 2007, sowie ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise.
Felix Hauptmann (1856-1934), Zehn mittelrheinische Wappengruppen, Jahrbuch der Heraldischen Gesellschaft "Adler" in Wien 1900, 10, S. 1–43,
http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2008/10203/ und http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2008/10203/pdf/E001616955.pdf
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.

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